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bv Fachwissen - Fahrerassistenzsysteme

BVA-Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS): Infoserie - Teil 1

Erste, zweite und dritte Generation der Fahrzeugverglasung - Welche beherrschen Sie?

Wo stünde heute ein „Autoglasfachbetrieb“, wenn er in den goldenen 80er und Anfang der 90er Jahre den Technologiewandel von der gummigelagerten zur geklebten Windschutzscheibe nicht mitgegangen wäre?

-          Hätte er sich diesem Wandel wirklich entziehen können?
-          Könnte er von seinem Auftragsvolumen heute noch leben?
-          Würde es diesen Betrieb heute noch geben?

NEIN!!! 

BVA-Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS): Infoserie - Teil 2

In der ersten Generation wurde die Windschutzscheibe durch einen Profilgummi in der Karosserie fixiert. Diese Montageart war über viele Jahrzehnte der Stand der Technik. Heute findet man derartige Verglasungen zumeist nur noch an Oldtimern. Daher kümmert sich seit einiger Zeit die Fachgruppe Oldtimerverglasung im Bundesverband Autoglaser e. V. darum, dass dieses wertvolle Fachwissen den Autoglasfachbetrieben erhalten bleibt.

Aus den USA kam in den Siebziger Jahren die Technik der verklebten Windschutzscheiben, zuerst mittels Butylklebstoffen, kurz darauf mit Polyurethan (PU). Wir sprechen hier von der zweiten Generation der modernen Fahrzeugverglasung, welche den steigenden Anforderungen an die passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen gerecht wurde. Diese Fahrzeuge stellen bis heute den Großteil unseres Tagesgeschäfts dar.

Seit ca. 2010 werden unsere Straßen beinahe unbemerkt von Fahrzeugen mit neuer Technologie erobert, welche die dritte Generation der modernen Fahrzeugverglasung einläuteten. Während die Scheiben bei diesen Fahrzeugen in bekannter Weise geklebt werden hat sich an anderer Stelle sehr viel geändert: Im Bereich des Spiegelhalters finden sich bei diesen Fahrzeugen nicht nur die bekannten Klima-, Regen- und Lichtsensoren (also Komfortausstattungen), sondern auch Laser- und Kamerasysteme als Komponenten vorausschauender, aktiver Sicherheitssysteme. Seit Ende 2015 sind der Spurhalte- und Notbremsassistent für die Erstzulassung von Lkw ab 3,5 t vom Gesetzgeber vorgeschrieben.

Diese Komponenten bilden gleichzeitig die Grundlage für die weiteren Stufen des automatisierten Fahrens bis hin zur höchsten Automatisierungsstufe, dem autonomen (fahrerlosen) Fahren.

Quelle: VDA Webseite www.vda.de

Aktuell befinden wir uns in Stufe 2 (teilautomatisiert), d. h. die Assistenzfunktionen des Fahrzeugs sind in den meisten Fällen übersteuerbar. Der Fahrer muss das System jederzeit überwachen und trägt somit die alleinige Verantwortung. Bis zur Stufe 2 könnte der ausführende Fachbetrieb nun geneigt sein, den Austausch der Frontscheibe bezüglich der verbauten Fahrerassistenzsysteme ähnlich zu handhaben, wie dies in der Vergangenheit bei Regen-/Lichtsensoren dem Vernehmen nach häufig praktiziert wurde.

Die Automobilhersteller arbeiten bereits mit Hochdruck an der Umsetzung der Stufe 3 (hochautomatisiertes Fahren) und warten nur noch auf die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen, welche derzeit von unserer Bundesregierung und auf internationaler Ebene geformt werden. Neben dem damit verbundenen Anstieg der Anforderungen an eine Fachwerkstatt ändert sich höchstwahrscheinlich auch die Frage der Haftung bei einem Fehlverhalten dieser hochautomatisierten Fahrfunktionen.

Spätestens mit Erreichen der Stufe 3 ist also ein Umdenken unumgänglich, da die Nichteinhaltung der Herstellervorgaben ein nicht tragbares Betriebsrisiko bedeutet.

Lesen Sie in Teil 2 unserer Serie:

-        „ai“ im neuen Audi A6 - das erste Großserienfahrzeug der Stufe 3
-          Sensorfusion, ZFAS und die Auswirkungen für Autoglasfachbetriebe
-          Bedeutung der Herstellervorgaben für die Arbeit des Autoglasers

BVA-Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS): Infoserie - Teil 2.1

Automatisiertes Fahren - Die Zukunft ist jetzt!

Der neue Audi A6 (Modelljahr 2018, Auslieferung ab September 2017) wird eines der ersten Großserienfahrzeuge mit hochautomatisierten Fahrfunktionen sein! Das bedeutet, dass bereits ab diesem Jahr Fahrzeuge mit Automatisierungsgrad der Stufe 3 auf unseren Straßen zu finden sein werden.

Während die verschiedenen Fahrerassistenzsysteme dem Autofahrer bisher schon teilautomatisierte Funktionen boten, vollzieht Audi hier nun den nächsten Schritt mit weitreichenden Auswirkungen: Der Fahrer drückt die Taste „ai“ (artificial intelligence = künstliche Intelligenz) am Armaturenbrett, das Lenkrad zieht sich zurück und das Fahrzeug fährt tatsächlich alleine – und der Fahrer ist erstmals, im Falle eines Unfalls, wirklich aus der Verantwortung! Diese geht an den Fahrzeughersteller über, da der Fahrer das System nicht mehr dauerhaft überwachen muss.

Quelle: VDA Webseite (www.vda.de)

Mit der Einführung der „ai“-Taste ist der Sprung von Stufe 2 (teilautomatisiert) zu Stufe 3 (hochautomatisiert) Realität geworden. Hierdurch ändert sich nicht nur die Haftungsfrage für den Fahrer, sondern auch für den „Fachbetrieb“ im Falle eines Scheibenaustauschs. Kommt es zu einem Unfall wird der Hersteller das Fahrzeug überprüfen und jeden nicht „fachgerechten“ Eingriff feststellen! Als nicht fachgerecht wird in dem Fall jegliche Arbeitsausführung gelten, welche nicht den Herstellervorgaben entspricht.

Der Fahrzeughersteller definiert in seiner Original-Reparaturanleitung unter anderem welche Arbeiten im Zusammenhang mit dem Ersatz der Windschutzscheibe durchzuführen sind. Diese Herstellervorgabe enthält für Fahrzeuge mit FAS-Systemen weit mehr als die bloße Anleitung zum Aus- und Einbau inkl. den einzuhaltenden Abmessungen. Konkret werden darin zum Beispiel die „erforderlichen Zusatzarbeiten“ benannt, nachfolgend dargestellt am Beispiel des Audi A4 ab Baujahr 2015 (Typ B9):

 

Quelle: ALLDATA (www.alldataeurope.com)

Bei diesem Fahrzeug muss also nicht nur die auf der Windschutzscheibe verbaute Frontkamera kalibriert werden, sondern auch die Matrix LED-Scheinwerfer. Die Nichtdurchführung einer oder aller Zusatzarbeiten stellt ganz eindeutig einer Verstoß gegen die Herstellervorgabe dar. Den Nachweis der korrekten Durchführung sollte der Fachbetrieb jederzeit anhand der gespeicherten Kalibrierungsprotokolle seiner Diagnosesoftware führen können. Unabhängig davon werden sämtliche Kalibrierungsvorgänge (mit Datum und Uhrzeit) im Steuergerät dokumentiert. Das heißt im Umkehrschluss, dass auch eine nicht durchgeführte Arbeit durch den Hersteller sehr leicht nachzuweisen ist.

Die Einhaltung der Herstellervorgaben ist also der einzige Weg, um unkalkulierbare Haftungsrisiken für den eigenen Betrieb zu vermeiden!

Darüber hinaus muss es im Interesse eines jeden Autoglas-Fachbetriebs liegen, das Fahrzeug nach getaner Arbeit dem Kunden in einem einwandfreien und verkehrssicheren Zustand zu übergeben. Hierbei wird sich der Arbeitsbereich des Autoglasers deutlich über den Scheibenrand hinaus bewegen müssen.

Das vorgenannte Beispiel zeigt, dass verschiedene Systeme in Abhängigkeit zueinander stehen und dass die isolierte Betrachtung der Frontkamera alleine nicht ausreichend ist. Aufgrund des Zusammenspiels der Systeme, der geforderten Ausfallsicherheit und der notwendigen Plausibilisierung der Sensordaten muss also in unserem Beispiel, unter gewissen Voraussetzungen, auch das im vorderen Stoßfänger verbaute Radarsystem und die demnächst verbauten Laserscanner neu kalibriert werden. Dieser Sensorfusion trägt der Fahrzeughersteller Audi Rechnung, indem im neuen A6 ein einziges zentrales Steuergerät für alle Assistenzfunktionen zum Einsatz kommt. Das Audi zFAS (zentrales Fahrerassistenz-Steuergerät) ersetzt die bisher einzeln und schrittweise ins Fahrzeug hinzu gekommenen Steuergeräte der diversen Komfort- und Sicherheitsfunktionen. Die Informationen der einzelnen Sensoren werden dabei nicht mehr von unterschiedlichen Steuergeräten verarbeitet, sondern zu einem Datenstrom gebündelt. Durch diese Fusion der Sensordaten in einem zentralen Steuergerät kann ein hochgenaues Bild der Umgebung errechnet werden.

Die Sensorfusion und die Einführung zentraler Steuergeräte geben also eine klare Richtung vor: Da moderne Fahrassistenzsysteme für die Auswertung einer Situation mit Informationen von verschiedenen Sensoren arbeiten, ist auch im Falle der Kalibrierung stets der Zusammenhang dieser Systeme zu beachten.

Lesen Sie in Teil 3 unserer Serie:

-          Welche Sensoren und Systeme sind für den Autoglaser relevant?
-          Bauliche und technische Anforderungen an die Kalibrierungsumgebung
-          Handlungsempfehlungen für den Autoglasfachbetrieb


Über den Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS): Seit 2012 befasst sich der Bundesverband Autoglaser e.V. (BVA) aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen am Markt insbesondere mit der Thematik Fahrerassistenzsysteme. BVA-Mitglieder haben den "Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS)" gegründet, der sich regelmäßig über Neuerungen auf diesem Gebiet sowie spezielle Lösungen der Diagnostik und Reparatur für Autoglaser austauscht. Der FAS-Ausschuss bietet BVA-Mitgliedern Unterstützung bei Fragen und Informationsbedarf rund um dieses Thema.

Wenden Sie sich für alle Fragen zum Thema Fahrerassistenzsysteme direkt an den FAS-Ausschuss fas(at)bundesverband-autoglaser(dot)de.

 

Autor: FAS-Fachausschuss im BVA e.V.

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BVA-Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS): Infoserie - Teil 3

Die Kalibrierung in der Werkstattpraxis

In der Vergangenheit (siehe Grafik „Stufen des automatisierten Fahrens“ Stufe 0-1) musste sich der Autoglasfachbetrieb nur mit einfach zu beherrschenden Komfortsystemen wie Licht- und Regensensoren befassen. Mit der Stufe 2 kamen nach und nach neue, vernetzte Sensorsysteme hinzu. Im Fokus der Betrachtung lag beim Ersatz der Windschutzscheibe zunächst die dort verbaute Frontkamera. In Teil 2 unserer Serie hatten wir bereits erläutert, dass die isolierte Betrachtung der Kamera nicht ausreichend ist. Doch welche Sensoren und Systeme sind denn nun für den Autoglasfachbetrieb von Bedeutung?

  1. Frontkamera
  2. Radar
  3. Laserscanner
  4. Nachtsichtkamera
  5. Umfeldkameras
  6. Matrix-LED-Scheinwerfer
  7. Head-Up-Display

Die Systeme unter Punkt 1. bis 6. haben einen gemeinsamen Nenner, und zwar die Abhängigkeit von der Hinterachse als geometrische Fahrachse des Fahrzeugs. Dies wird an dem Arbeitspunkt „Fahrwerk i. O.“ in der Checkliste zur statischen Kalibrierung deutlich. Ist das Fahrwerk nicht in Ordnung, muss eine Achseinstellung vorgenommen werden. Diese Arbeit wiederum zieht bei nahezu allen Herstellern die Kalibrierung der übrigen (fahrwerksbezogenen) Sensorsysteme nach sich.

Neben den technischen Anforderungen an die benötigte Hard- und Software möchten wir hier zunächst die baulichen Anforderungen in den Mittelpunkt rücken. Diese erstrecken sich auf die Ebenheitstoleranzen des Bodens sowie die Abmessungen des Arbeitsbereichs.

Abmessungen:
Für die meisten Anwendungsfälle ist ein Arbeitsplatz mit einer Länge von 7,50 m und einer Breite von 5,00 m ausreichend. Im Einzelfall (z. B. Frontkamera Subaru, Umfeldkameras VW Gruppe) steigt die erforderliche Länge auf ca. 9,00 m.

Bodenunebenheit:
Als Mehrmarkenwerkstatt müssen wir uns an der höchsten Anforderung orientieren. Diese findet sich aktuell bei Audi, da hier bei allen Modellen mit Matrix-LED-Scheinwerfern nach dem Scheibentausch die Kalibrierung der Scheinwerfer vorgeschrieben ist. Hierfür ist ein Scheinwerfereinstellplatz erforderlich.

Systemvoraussetzungen für Scheinwerfereinstell- und Prüfgeräte:

Quelle: Hella Gutmann Solutions (www.hella-gutmann.com)

Bodenunebenheiten:

Quelle: Hella Gutmann Solutions (www.hella-gutmann.com)

Sind diese baulichen Voraussetzungen erfüllt, so sieht die Ausstattung eines modernen Arbeitsplatzes derzeit folgendermaßen aus:

  • Elektronisches Diagnosegerät
  • Statisches Kalibrierungs-Tool (z. B. CSC-Tool, o. ä.)
  • Werkzeug zur Fahrwerks-Überprüfung (z. B. Radaufnehmer „Control“, o. ä.)
  • Radar-Kits
  • SEG (Scheinwerfereinstellgerät) der neuesten Generation
  • Batterie-Ladeerhaltungsgerät (mind. 35A)

Handlungsempfehlung:

  • Zur einwandfreien Feststellung der verbauten Systeme und Überprüfung der Fahrwerksgeometrie muss der Annahmeprozess angepasst werden. Vor dem Arbeitsbeginn sollte, am besten mit dem Kunden gemeinsam, eine Dialogannahme in der Werkstatt durchgeführt werden. Dabei wird die elektronische Eingangsdiagnose sowie Überprüfung der geometrischen Fahrachse vorgenommen. Sollten hier Mängel festgestellt werden, muss der Auftrag mit dem Kunden eventuell erweitert werden.
  • Da sich nicht jede Autoglaserei eine Achsmessbühne leisten wird, sollte ein geeigneter Partner (z. B. Reifenhändler oder freie Werkstatt) gesucht werden. Mit diesem kann natürlich eine wechselseitige Partnerschaft für Kalibrierungen aufgebaut werden.
  • Qualifizierung der Mitarbeiter durch geeignete Schulungsmaßnahmen!
  • Aktuell empfehlen wir außerdem den Besuch der „tasc“, der 1. Fachmesse für Autoglas, Smart Repair und Fahrzeugaufbreitung am 27./28. Oktober 2017 in Düsseldorf (www.tasc-expo.de)
  • Generell gilt: Arbeiten Sie nach Herstellervorgabe! Die schriftlichen Vorgaben des Herstellers sind das Maß, nach dem im Falle von Problemen gemessen wird. Als Mehrmarkenwerkstatt empfehlen wir Ihnen einen Dienstleister wie z. B. ALLDATA (www.alldataeurope.com) o. ä., der Ihnen die Originaldaten verschiedener Hersteller in stets aktueller Form liefert.



Lesen Sie in Teil 4 unserer Serie:

-        Betrachtung der FAS-Systeme im Detail: Was hat eigentlich die Frontkamera auf der Windschutzscheibe mit dem Fahrwerk zu tun?


Über den Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS): Seit 2012 befasst sich der Bundesverband Autoglaser e.V. (BVA) aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen am Markt insbesondere mit der Thematik Fahrerassistenzsysteme. BVA-Mitglieder haben den "Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS)" gegründet, der sich regelmäßig über Neuerungen auf diesem Gebiet sowie spezielle Lösungen der Diagnostik und Reparatur für Autoglaser austauscht. Der FAS-Ausschuss bietet BVA-Mitgliedern Unterstützung bei Fragen und Informationsbedarf rund um dieses Thema.

Wenden Sie sich für alle Fragen zum Thema Fahrerassistenzsysteme direkt an den FAS-Ausschuss fas(at)bundesverband-autoglaser(dot)de.

Autor: FAS-Fachausschuss im BVA e.V.